Tag Archives: öffentlich-rechtlicher Rundfunk

Die Verfassung, der Rundfunk und das Netz.
Vierzehn lemmatische Skizzen

I.
An der Schwelle zur Einführung des Internets resümiert der Soziologe Niklas Luhmann: »Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien« (Luhmann 1996: 9). Als Konstruktivist war ihm sehr wohl klar, dass Presse, Radio und Fernsehen kein ungebrochenes Weltwissen vermitteln. Oder anders, mit Harry Pross gesagt: »Die meisten Nachrichten sind falsch« (Pross 1971). Moderne Massenmedien stehen immer unter Manipulationsverdacht, sodass jede Meldung falsch oder richtig sein könnte. Aber das, so Luhmann, führt »nicht zu nennenswerten Konsequenzen, da das den Massenmedien entnommene Wissen sich wie von selbst zu einem selbstverstärkenden Gefüge zusammenschließt«. Philosophisch gesprochen: »Die Massenmedien erzeugen eine transzendentale Illusion« (Luhmann 1996: 13). Politisch gesprochen, sind sie genau deshalb der Garant für das oszillatorische Hin und Her einer freien Meinungsbildung in der modernen Gesellschaft. Vielleicht formuliert Luhmann Mitte der 1990er-Jahre so stark, weil er ahnt, dass massive mediale Umwälzungen bevorstehen. Continue reading

Second Screen first

Die ewig diskutierten, bisher jedoch nur spärlichst eingeführten “neuen Inhalte” werden das Fernsehen als Leitmedium nicht retten. Dagegen erfreut sich der Second Screen steigender Beliebtheit.

Wer noch bezweifelt, dass Paralleluniversen existieren, muss sich gelegentlich das Nachmittagsprogramm von N3 ansehen. Das Dritte des NDR brachte am 2. Juni 2013 unter dem Titel „Unser NDR – reden wir drüber!“ eine Live-Übertragung vom Landpartie-Fest in Plön. Mit von der Partie war die Führungsspitze des NDR – Intendant Marmor (auch ARD-Vorsitzender), der Fernsehdirektor, der Hörfunkdirektor und der Direktor des Landesfunkhauses.

Wer jetzt erwartete, es ginge um den Rundfunkbeitrag, die Transparenz der Finanzen und der Entscheidungen des Senders oder darum, aus der Perspektive der Internet-Erfahrungen junger Generationen neue Programmformate zu entwickeln, sah sich grundlegend getäuscht. Continue reading

Öffentlich-rechtliche Medien auf der re:publica 2013

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk war eines der Themen auf der am Mittwoch zuende gegangenen re:publica 2013. Am dritten Tag stellte Volker Grassmuck das neue Projekt von Grundversorgung 2.0 vor: Von Television zu WikiVision: Mediale Grundversorgung von allen für alle. Hier die Videoaufzeichnung:


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“Quo vadis, BBC?” – CDC-Mitarbeiter diskutieren mit Charlie Beckett über die Perspektiven des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Der Skandal um den verstorbenen BBC-Moderator Jimmy Saville, journalistische Versäumnisse und ein misslungenes Krisenmanagement – die ehrwürdige BBC, die Wiege des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, erlebte 2012 die schwerste Krise ihrer Geschichte.

Weniger als einen Monat nach der Übernahme des Postens des BBC-Generaldirektors durch Tony Hall diskutierten Charlie Beckett, Gründungsdirektor des an der London School of Economics angegliederten Think Tanks POLIS, Christian Potschka, Kommunikationswissenschaftler im Projekt “Grundversorgung 2.0” des Zentrums Digitale Kulturen (CDC) an der Leuphana Universität Lüneburg, und Leonard Novy, Mitglied der Leitung des Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik (IfM) und Gastwissenschaftler am CDC, am 30. April über Zustand und Zukunft der BBC.

In einem medienpolitischen Kolloquium des IfM gab Beckett, der im Laufe seiner über 20-jährigen Karriere als Journalist auch für die BBC arbeitete, Einblicke in die Ursachen (und den Umgang mit) einer Krise, die weit über individuelle und redaktionelle Fehlleistungen hinausgeht. Die ihnen zugrundeliegenden strukturellen Probleme gepaart mit grundlegenden technologischen wie gesellschaftlichen Veränderungen berühren letztlich die Zukunftsfähigkeit und soziale Legitimation einer Institution. Sie ist nun gezwungen, sich zu modernisieren und ihre Organisations- und Aufsichtsstrukturen zu reformieren. Eine Herausforderung, die, wie Christian Potschka betonte, sich auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland stellt.

Eine wesentliche Aufgabe für Medienpolitik und Öffentlich-Rechtliche auf beiden Seiten des Kanals besteht laut Beckett darin, in einer sich diversifizierenden Multimedia-Landschaft ohne Frequenzknappheiten den „Case“ für Public Service zu machen. Neue Akteure seien hinzugetreten, deren Inhalte unzweifelhaft „public value“ böten. So liefere BSkyB einen exzellenten Nachrichtenkanal und, in Form von Sky Arts, ein umfassendes Kulturangebot, während Anbieter wie Netflix in herausragende fiktionale Programme investieren. Dazu kämen Wikipedia und alternative Formen der Finanzierung und Produktion von (investigativem) Journalismus wie pro publica. Entsprechende Angebote machten Public Service-Angebote noch lange nicht obsolet. Doch stelle sich die zentrale strategische Frage, wie sich Public Service Medien solchen Entwicklungen und Akteuren gegenüber verhalten und wie sie ebendiese durch eine Kultur der Offenheit bzw. – wo sinnvoll – eine Einbindung im Sinne des „networked journalism“ für ihren Auftrag zu nutzen in der Lage sind, um den Anschluss an neue technologische und gesellschaftliche Realitäten nicht zu verlieren.

Charlie Beckett und Christian Potschka: Quo vadis, BBC? IfM, 30.04.2013

Medienpolitisches Colloquium am 30. April 2013
Ort: Institut für Medien- und Kommunikationspolitik (IfM), Fasanenstr. 73, 10719 Berlin
Zeit: 18.00 – 19.30 Uhr
Teilnahme: Verbindliche Anmeldungen bitte an info@medienpolitik.eu

Der Pädophilenskandal um den verstorbenen BBC-Moderator Jimmy Saville, journalistische Versäumnisse und ein misslungenes Krisenmanagement – die ehrwürdige BBC, die Wiege des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, erlebte 2012 die schwerste Krise ihrer Geschichte.

Eine Krise, die nicht ohne Folgen blieb. Denn auf dem Prüfstand stehen nicht nur redaktionelle Fehlleistungen, sondern die Zukunftsfähigkeit und soziale Legitimation einer Institution. Sie ist nun gezwungen, sich zu modernisieren und zu demokratisieren – eine Herausforderung, die sich auch für die Organisations- und Aufsichtsstrukturen der öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland stellt.

Zustand und Zukunft der BBC und die damit verknüpfte Frage nach den Perspektiven öffentlich-rechtlichen Rundfunks diskutieren wir im Rahmen eines medienpolitischen Kolloquiums am 30.April um 18Uhr mit Charlie Beckett, dem Gründungsdirektor des an der London School of Economics angegliederten Think Tanks POLIS sowie mit Christian Potschka, Kommunikationswissenschaftler an der Leuphana Universität Lüneburg. Moderiert wird die Veranstaltung von Leonard Novy, Mitglied der IfM-Institutsleitung.