Hyperbole – Die Krux mit der Praxis oder: Was Farid Bang mit der Leuphana-Universität Lüneburg zu tun hat

Grundversorgung 2.0 – klingt eher nach Elfenbeinturm als nach Straßenrap, mehr nach universitärem Programm als nach popkultureller Unterhaltung. Und das ist es auch – ein mehrjähriges, EU-gefördertes Forschungsprojekt zur Zukunft der beitragsfinanzierter Medien. Und da steht dann Farid Bang, seines Zeichens Gangster-Rapper mit Millionenverkäufen, verhasst und belächelt vom Bildungsbürgertum, vergöttert von seinen jugendlichen Fans. Farid spricht von weiblichen Verwandten, die er mit seinem überdimensionierten Geschlechtsteil beglückt und davon, wie es ist, täglich Anabolika zu frühstücken. Das alles als Antwort auf Kommentare im Internet, zusammengestellt und gefilmt von uns: HyperboleTV. Bezahlt von der EU, betitelt als Forschungsprojekt. Wie passt das zusammen?

Um seine Anwesenheit im Kontext der Leuphana Universität zu erklären, muss man woanders beginnen. Nämlich damit, dass es den öffentlich-rechtlichen Medienanstalten heute nicht mehr gelingt, mit ihren Programmen ein Zielpublikum zu erreichen, das jünger als 40 ist, und das Fernsehen langweilig findet, weil es nicht mitspielen darf. Nicht mit entscheiden, nicht mitdiskutieren und nicht mitgestalten. Die sogenannte Jugend von heute ist keineswegs desinteressiert und abgestumpft, sie ist nur mit der herkömmlichen One-Way-Kommunikation nicht zu erreichen. Sie braucht Input, der zeitgemäß verpackt ist und auf den Plattformen stattfindet, die für diese Zielgruppe relevant sind. Und genau eine solche Plattform versucht HyperboleTV als Kooperation der Leuphana-Universität Lüneburg mit der Berliner Agentur Styleheads  zu etablieren. Seit wir Dezember 2013 den Youtube-Channel HyperboleTV eröffnet haben, haben wir mit den bisher veröffentlichten Formaten EINE STIMME, FRAG EIN KLISCHEE, DISSLIKE und GREATEST STORY NEVER TOLD  knapp 200 Videos veröffentlicht, 25.000 Abonnenten und ca. 4.600.000 Aufrufe generiert.

Doch was ist HyperboleTV überhaupt? HyperboleTV versteht sich als Videonetzwerk für die digitale Generation. Wir übertreiben, und das mit Leidenschaft. Eine Hyperbel ist die literarische Form der Übertreibung, die eingesetzt wird, um einen Sachverhalt zu verdeutlichen. Genau das ist unser Anspruch: Wir wollen politische und gesellschaftlich relevante Themen so interessant erzählen, dass sie Menschen einer Altersgruppe erreichen, denen sonst häufig ein generelles Desinteresse an Politik unterstellt wird. Dabei verstehen wir den Begriff Politik allerdings ziemlich breit. Wahlen gehören ebenso dazu wie Entertainment, aber auch Musik, Kultur und alle Bereiche, in denen Menschen über ihr Leben in diesem Land sprechen. Da kann auch mal ein Rapper, der zufällig selber als Sozialarbeiter arbeitet, die Problematik des Erziehungsgeldes erklären.

Wie erreicht man genau das Publikum, das dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen bereits verloren gegangen ist? Durch eine Präsenz in den Netzwerken, die sie ständig frequentieren (Youtube, Facebook, Twitter), Interaktion und – hier schließt sich der Kreis zu Farid Bang – durch die Einbindung von Personen und Themen, die aktuell für unsere Zielgruppe interessant sind. Und da gehören auch Gangster-Rapper dazu – neben Hanf-Aktivisten, Comedians, Moderatoren und Indie-Bands. Schließlich muss man erst mal entdeckt und gesehen werden, wenn man Inhalte vermitteln will.

Popkultur ist unser Trojanisches Pferd, aber auch noch viel mehr: Eine popkulturelle Erzählweise ermöglicht es uns, unser Publikum auf Themen zu stoßen, mit denen es sich sonst nicht auseinander setzt. Wer uns aus einem Interesse an Gangster-Rap abonniert, oder weil er/sie seine Lieblingsband bei uns gesehen hat, wird spätestens beim nächsten Video mit einem komplett neuen Spektrum konfrontiert. Und das funktioniert erstaunlich gut, wie die Diskussionen bei Youtube zu unseren Videos zeigen. Dort wird inhaltlich unerwartet anspruchsvoll über das Recht auf Abtreibung nach einer Vergewaltigung, einen kurdischen Staat oder den Umgang mit Tourette in der Öffentlichkeit diskutiert. Unsere Zuschauer nehmen teil an unserem Programm, können es mitgestalten, indem sie unseren Gästen Fragen stellen und das Thema im Nachhinein über Videokommentare mitprägen.

Dabei hat sich mittlerweile eine überraschend positive Diskussionskultur etabliert, die dem Vorurteil widerspricht, dass in der Anonymität des Internet nur getrollt und gehated wird. Unsere Zuschauer erziehen sich gegenseitig und zeigen (nach anfänglicher Intervention unsererseits), dass genau das möglich ist, womit Viele Schwierigkeiten haben: Mit jungen Menschen über Politik und Gesellschaft diskutieren und sie für Themen zu begeistern, die alles andere als „in“ oder sexy sind. Das funktioniert, weil wir mit ihnen auf Augenhöhe kommunizieren, die Inhalte popkulturell inszenieren und uns auch ernsten Themen ganz oft mit einem Augenzwinkern nähern. Warum nicht mal für unser Format FRAG EIN KLISCHEE einen Kleinwüchsigen fragen, ob er das nicht auch oft ausnutzt, dass er so süß aussieht? Oder einen syrischen Flüchtling, ob er eigentlich nur hierher gekommen ist, um zu dealen und Hartz IV zu beziehen? In der Reaktion der Protagonisten auf die Frage entlarvt sie sich meist selber als unbedachtes Vorurteil, und die provokative Art der Fragestellung eignet sich gut, um im Anschluss Diskussionen anzustoßen.

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Noch sind wir mitten drin im Experiment „Videonetzwerk für die digitale Generation“, und es wird sich zeigen, ob HyperboleTV auch in Zukunft unabhängig von einer öffentlichen Förderung kommerziell tragbar ist. Doch schon jetzt hat sich gezeigt, dass es durchaus möglich ist, ein junges Publikum für gesellschaftlich relevante Themen zu interessieren – und darauf sind wir stolz.

Daher zum Abschluss ein großes DANKE an unsere Zuschauer: Bringt Euch weiter ein, diskutiert mit und schickt uns Eure Ideen – wir freuen uns schon jetzt auf Euren Input, schließlich lernen auch wir in der Diskussion mit unserem Publikum täglich dazu!

One Response to Hyperbole – Die Krux mit der Praxis oder: Was Farid Bang mit der Leuphana-Universität Lüneburg zu tun hat

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