Konferenz: Medienfreiheit und Public Value im Internet

Die Zukunft des gesellschaftlichen Medienauftrags

Wir alle beauftragen, finanzieren und kontrollieren öffentlich-rechtliche Medien. So die Idee des Grundgesetzes. Das System, das uns im 20. Jahrhundert gut gedient hat, steht an der Schwelle zum Internet, das für die junge Generation bereits zum primären Informationsmedium geworden ist. Wie sieht hier der Auftrag für eine Grundversorgung aus? Wie kann in dem flüchtigen und globalen Medium Internet – jenseits festgefahrener öffentlich-rechtlicher Organisationsstrukturen – ein medialer „Public Value“ gewährleistet werden? Wie erfolgt seine kriteriengeleitete Überprüfung und seine Gewährleistung in der neuen Medienumwelt?

Eine funktionierende Demokratie muss sich im Interesse des Gemeinwohls journalistisch-redaktionell selbst beobachten. Wie können wir diese Beobachtung kollektiv, mit Unterstützung aktueller Kommunikationsmittel, beauftragen und kontrollieren? Wie wollen wir sie bezahlen und wem? Durch die digitale Revolution stellen sich die alten Fragen neu. Darüber sprechen Experten aus Wissenschaft, Medien, Politik und Zivilgesellschaft.

Konferenz
am 16. Mai 2014 von 9:00-16:00 Uhr
im Hotel Bergström, Lüneburg
ausgerichtet vom Forschungsprojekt Grundversorgung 2.0
Zentrum Digitale Kulturen (CDC), Leuphana Universität Lüneburg
Die Teilnahme ist kostenfrei.

Vimeo-Kanal: Medienfreiheit und Public Value im Internet


Einleitung Teilnehmerinnnen und Teilnehmer Programm und Dokumentation Materialien Konferenz-Team

Die informationelle Daseinsvorsorge im Umbruch

Alles bleibt anders. Unverändert gelten Grundwerte wie die Meinungsfreiheit und die ihr dienende Medienfreiheit. Ständigen Wandel bringen Medientechnologie, Geschäftsmodelle, Nutzerverhalten und politische Rahmenbedingungen. Aufgrund der besonderen „Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft“ des Fernsehens, so betonte das Bundesverfassungsgericht in seinem jüngsten Urteil zum ZDF-Fernsehrat erneut, ergebe sich aus Artikel 5 Grundgesetz eine besondere gesetzgeberische Verantwortung für die mediale Vielfaltssicherung. Diese sei durch die neuen Verbreitungsformen und -wege, durch die Vervielfachung und Ausdifferenzierung der Angebote keineswegs überholt, sondern gewinne vielmehr an Gewicht. Unverändert konstatiert das Gericht auch, dass die demokratisch gebotene Vielfalt „allein über den freien Markt nicht gewährleistet werden kann“. Eine auf das Gemeinwohl gerichtete öffentliche mediale Versorgung ist daher weiterhin geboten. Medienauftrag im Internet In Zeiten „konvergenter Unübersichtlichkeit“ (Wolfgang Schulz) steht der öffentliche Auftrag im Internet im Zentrum der Debatte. Zu einer präzisen Definition dieses Auftrags und einer angemessenen Beauftragung verpflichtet der EU-Beihilfekompromisses von 2007 den deutschen Rundfunkgesetzgeber. Er war aufgrund von Beschwerden bei der EU durch Medienunternehmen besonders über die öffentlich-rechtlichen Online-Aktivitäten zustande gekommen. Kern der Präzisierung bildet der Drei-Stufen-Test, der die Telemedien an die „demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen einer Gesellschaft“ bindet und somit den Public Value der informationellen Daseinsvorsorge sichern soll. Umgesetzt wurde er im Dezember 2008 mit der 12. Änderung des Staatsvertrags, der seither „Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien“ heißt und anerkennt, dass Onlineangebote zum öffentlich-rechtlichen Funktionsauftrag gehören. Seither hat sich die Aufregung über die digitale Revolution etwas gelegt. Private Medienunternehmen haben eingesehen, dass ihr Heil im Internet nicht darin liegt, die Öffentlich-Rechtlichen auszuschließen. In den Anstalten setzt sich nach zwanzig Jahren Reden über Generationenabriss, Neue und Telemedien, Tri- und Crossmedialität die Erkenntnis durch, dass das Internet kein Übergangsphänomen ist, sondern dass der Verfassungsauftrag zu medialer Freiheit und Vielfalt dort zu gewährleisten ist, wo Bürgerinnen und Bürger sich zunehmend ihre Meinung bilden. Ein Anfang ist gemacht, der Klärungsbedarf besteht jedoch weiter. Verfassungsrechtlich ist, wie Wolfgang Hagen (2014) schreibt, „die Sicherung der Meinungsfreiheit vor dem Horizont eines neuen sozialen Gedächtnisses [beruhend auf Suchmaschinen und sozialen Netzwerken], … nach Artikel 5 weiterhin zweifelsfrei geboten, aus seinem bisherigen Wortlaut aber nicht herleitbar.“ Die Ministerpräsidenten der Länder beauftragen in ihrer Sitzung vom 25.10.2013 die Rundfunkkommission mit dem Entwurf für einen zeitgemäßen Telemedienauftrag von ARD, ZDF und DLR, durch den insbesondere die bisherige 7-Tage-Regelung ersetzt wird. Dieser steht noch aus. Auch die für die folgende Konferenz der Länderchefs am 13.03.2014 angesetzte Entscheidung über einen crossmedialen Jugendkanal kam nicht zustande. Hierzu wurden die Anstalten beauftragt, ein überarbeitetes Konzept vorzulegen. Transparenz und Partizipation Im ZDF-Urteil hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber aufgetragen, die Staatsferne der Aufsichtsgremien herzustellen. Auch bei ihrer Transparenz gegenüber der Gesellschaft, die sie doch vertreten sollen, hat es eklatante Mängel festgestellt. Bei der Ausgestaltung der Verfassungsgebote hat es dem Gesetzgeber einen großen Spielraum eingeräumt. Diesen gilt es zu nutzen, um eine mediale Versorgung mit Public Value vom Internet aus neu zu denken. Bürgerbeteiligung und Transparenz stehen dabei im Vordergrund. Doch muss für alle Strukturen einschließlich der körperschaftsrechtlichen Form der Anstalt über Alternativen nachgedacht werden, die dem Internet angemessen sind. Plattformregulierung Die Konvergenz von Rundfunk und Internet zeigt sich auch in Form von hybridem oder Connected TV. Dadurch erweitert sich das Feld um neue Akteure und Gefährdungslagen. Auf dem Fernsehgerät, vor dem sich die meisten Bürger weiterhin einfinden, sind zunehmend klassischer Rundfunk, vergleichbare Telemedien und Internet-Inhalte nebeneinander zu sehen. Die Auswahl der Angebote findet regelmäßig durch Plattformanbieter in Kabel-, Satelliten-, Mobilfunknetzen, über IPTV, Empfangsgeräte und im offenen Internet statt. Sie steuern die Aufmerksamkeit nicht nur über ihr Programmbouquet, sondern auch über die prominente Platzierung ausgewählter Angebote auf Startseiten, EPGs und Apps. Wenn nun Infrastrukturanbieter und Gerätehersteller Allianzen mit Inhalteanbietern eingehen oder gar selbst mit Inhalten handeln, ist eine Gefährdung der Vielfalt vorgezeichnet. ISPs, die das von ihnen betriebene Musik- oder Videoportal priorisieren und Mobiltelefonieanbieter, die IP-Telefonie unterbinden, sind häufige Beispiele. In dieser digitalen Umwelt strukturelle und inhaltliche Vielfalt zu sichern, gehört somit ebenfalls zu den Herausforderungen. Um Verfügbarkeit, Zugänglichkeit und Auffindbarkeit gesellschaftlich gewünschter Angebote zu gewährleisten, sind u.a. Netzneutralität, die vertikale Desintegration von Infrastruktur-, Plattform- und Inhalteanbietern und Must-be-Found-Regelungen vorgeschlagen. In Weiterentwicklung der bisherigen Förderung von Offenen Kanälen bieten auch digitale Bürgermedien, Bürgernetze (Breitband-Genossenschaften, Freifunk) und Bürgerplattformen (Wikipedia, Diaspora, Crowdsourcing) Chancen für eine Vielfaltssicherung von unten. Medien- und Netzpolitik Schließlich ist deutlich geworden, dass mit den konvergierenden Medien auch die Politik- und Rechtsgebiete, die ihnen Rechnung tragen sollen, sich zueinander neigen müssen: Telekommunikations-, Rundfunk-, Urheber-, Wirtschafts- und Wettbewerbs-, Datenschutz-, Verbraucherschutz-Recht und ebenso die Politikfelder Telekommunikation, Medien, Netzpolitik und Wirtschaft. Der Vorschlag, den Rundfunkstaatsvertrag durch einen Medienstaatsvertrag zu ergänzen ist eine mögliche Antwort. Der Rundfunk in Deutschland befindet sich in einem historischen Umbruch. Die Fragen liegen auf dem Tisch. Es geht nicht um kleinere Korrekturen, sondern um das große Ganze der informationellen Daseinsvorsorge. Die Konferenz möchte einen Raum anbieten, um unaufgeregt und grundsätzlich über Lösungen zu sprechen.

Teilnehmerinnnen und Teilnehmer

 

Programm

9:00 Beginn 9:30 Begrüßung Holm Keller, Vizepräsident Leuphana Universität Lüneburg (05:16) Begrüßung Volker Grassmuck, wissenschaftlicher Leiter Grundversorgung 2.0, Zentrum Digitale Kulturen, Leuphana Universität Lüneburg (02:46) Moderation: Tina Mendelsohn, Moderatorin, Filmemacherin, Journalistin (03:53)
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Keynote: Bernd Holznagel, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht Westfälische Wilhelms-Universität Münster (44:34) Vortragsfolien (PDF)
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10:10 1. Diskussionsrunde: Der öffentlich-rechtliche Funktionsauftrag in einer konvergenten Welt (01:44:51) Der Auftrag, Public Value im Internet anzubieten, ist erteilt. Wie lässt er sich präzisieren, wie sein normativer Gehalt trennscharf und technologieneutral definieren? Was sind die Kriterien, anhand derer sich seine Erfüllung überprüfen lässt? Braucht es für seine Fundierung eine Grundgesetzänderung? Verlagert sich der Auftrag in der Überfülle des Internet vom Produzieren zum Kuratieren und Navigieren von Vielfalt? Ein Archivauftrag für Public Value-Inhalte fehlt. Wie können Transparenz und Partizipation gesichert werden?
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12:10 Mittagspause 13:10 Impulsvortrag: Hans Hege, Direktor der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (24:48)
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2. Diskussionsrunde: Rundfunkneuland Internet (01:00:39) Netz-, Plattform- und Inhalteanbieter suchen neue Erlösmodelle, doch Strategien wie vertikale Integration und Einspeisegebühren bergen Gefahren für die Medienvielfalt. Wie lassen sich Verfügbarkeit, Zugänglichkeit und Auffindbarkeit gesellschaftlich gewünschter Angebote im Internet gewährleisten? Datenschutz und anonyme Nutzung sind im terrestrischen Rundfunk eine Selbstverständlichkeit, nicht so im Netz. Dass Netzneutralität gesichert werden soll, ist Konsens, doch wie genau? Auch Breitbandausbau und Einlösung der digitalen Dividende sind ebenso gewollt wie schwierig.
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14:50 Impulsvortrag: Orkan Torun, wissenschaftlicher Mitarbeiter Grundversorgung 2.0, Zentrum Digitale Kulturen, Leuphana Universität Lüneburg und Institut für Medien- und Kommunikationspolitik, Berlin (08:51)
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3. Diskussionsrunde: Instrumente und Akteure (01:14:24) Wie kann Medienpolitik und Medienregulierung reformiert werden, um neuen technologischen, ökonomischen gesellschaftlichen Phänomenen angemessen zu begegnen? Welche neuen Konvergenzen und Komplementaritäten entstehen zwischen Rundfunk-, Medien und Netzpolitik? Muss die Subsidiarität von Ländern, Bund und EU neu gedacht werden? Welche regulatorischen Zugriffe gibt es auf globale Medienökosysteme?
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16:00 Ausklang mit Kaffee und Kuchen

Materialien

Funktionsauftrag und Public Value Deutsches Recht Europarecht Internationales Recht und Freihandelsakommen Veranstaltungen Aufsätze Funktionsauftrag und Public Value Deutsches Recht Europarecht Internationales Recht und Freihandelsakommen Veranstaltungen zum Thema Aufsätze zum Thema

Das Konferenz-Team

Planung: Jan Torg Claußen, Stefan Görike, Volker Grassmuck, André Grzeszyk, Christian Herzog, Leonard Novy, Oliver Rauch, Hermann Rotermund, Orkan Torun und Julie Woletz. Organisation und Durchführung: Veronika Bartelt, Tina Ebner, Katja Hartwig, Silke Laub, Marc Riedel, Esther Sambale, Feray Sezgin, Dominika Vogs und Clarissa von Wulffen. Video: Philipp Glauner, Marco Görike, Benjamin Kahlmeyer, Niklas Olscha. Audio: Matthias Gaida und Stefan Ivanov.

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