Die Rundfunkräte werden zu wenig an Entscheidungen beteiligt und können kaum Einfluss auf medienpolitische Weichenstellungen nehmen. Das muss sich ändern.
Am 30. Mai diesen Jahres hat der WDR-Rundfunkrat mit 41 von 47 Stimmen Tom Buhrow als WDR-Intendant gewählt. Dem Auswahlprozess ging eine öffentliche Ausschreibung voran. Eine Findungskommission aus der Mitte des Rates hatte diesem drei Kandidaten zur Wahl gestellt. Insgesamt erschien der Prozess nicht parteipolitisch determiniert zu sein. Außerdem war er in verhältnismäßig hohem Maß transparent und immerhin teilweise ergebnisoffen gestaltet. Das war nicht immer so, wie die vorvergangenen WDR-Intendantenwahlen zeigten.
Friedrich-Wilhelm von Sell, einer der insgesamt sechs Vorgänger Buhrows als Inhaber des Intendantenpostens in Köln (1976-1985) galt als Kandidat der SPD. Friedrich Nowottny (1985-1995) wurde mit den Stimmen von CDU und FDP gewählt. Sein Nachfolger Fritz Pleitgen (1995-2006) war wiederum Mitglied der SPD. Monika Piel (2006-2013) wurde mit den Stimmen von CDU, SPD und den nicht parteigebundenen Vertretern, den sogenannten „Grauen“, gewählt. Das gleiche gilt jetzt für Tom Buhrow.
Erst 2009 hatte es mit der Aufnahme von vier neuen Entsendungsorganisationen eine Entparteipolitisierung des WDR-Rundfunkrates gegeben. Die Intendantenwahl führt nun diesen Weg beim WDR fort und könnte auch als Modellbeispiel für andere ARD-Anstalten dienen, den Einfluss von Parteipolitik auf die Rundfunkräte zurückzudrängen.
Ausufernde Parteipolitisierung ist dabei nur ein Punkt, der dem Modell eines der Allgemeinheit verpflichteten Rundfunkrates wiederspricht. Rundfunkräte sind demokratiepolitisch das wichtigste Instrument, welches gesellschaftliche Kontrolle und Beratung der Anstalten ermöglicht. Durch Transparenz, Responsivität, dem Ermöglichen von Teilhabe und Partizipation haben die Räte die Chance, die gesellschaftliche Akzeptanz der Anstalten, ihrer Gesamtprogramme und Finanzierung zu steigern.
Wie dies im Einzelnen geschehen könnte zeigt eine kürzlich veröffentliche Studie (PDF) von Fritz Wolff im Auftrag der Otto Brenner Stiftung. Einige der Hebel, an denen man ansetzen könnte, sind demnach eine Professionalisierung der Räte und die Bereitstellung zusätzlicher Mittel, um bei Fachfragen unabhängige externe Beratung einholen zu können. Außerdem gilt es für die Gremien, sich weiter zu öffnen, um Zuschauer zu informieren, sie organisatorisch in die Arbeit einzubinden und öffentliche Debatten anzustoßen.
Die Rundfunkräte der ARD-Anstalten sowie der ZDF-Fernsehrat haben derartige Bemühungen bereits unterschiedlich weit vorangetrieben. Im Vergleich scheint der WDR-Rundfunkrat hier auf einem guten Weg zu sein. Nichtsdestotrotz ist Stillstand Rückschritt. Die Konkurrenz aus dem Internet, die um die Aufmerksamkeit der Zuschauer buhlt, wächst stetig. Darüber hinaus läuten nicht nur Zeitungen mit Paywalls neue Bezahlmodelle ein, sondern auch kommerzielle Rundfunkanbieter liebäugeln damit. Mittelfristig könnte das die Akzeptanz der Haushaltsabgabe massiv unterminieren. Wer bereits heute für Sky bezahlt und in Zukunft vielleicht auch noch für RTL und Sat.1 ein kostenpflichtiges Abonnement abschließen muss, der könnte die Abgabe noch kritischer sehen als vielleicht heute schon.
Den Rundfunkräten kommt die immens wichtige Aufgabe zu, hier proaktiv um Unterstützung zu werben. Hierfür müssen sie ihre Funktion ernsthaft und engagiert im Gemeinwohlinteresse wahrnehmen. Um dabei erfolgreich zu sein, müssen ihnen zusätzliche Werkzeuge in die Hand gegeben werden. So ist es fragwürdig, dass die Räte, ebenso wie die Landesparlamente, nicht in die Aushandlung der Rundfunkstaatsverträge eingebunden sind und ihrer Kontrollfunktion bei der Fortentwicklung des öffentlich-rechtlichen Mediensystems so nur bedingt nachkommen können.
Die Rundfunkräte sind existentiell für die Legitimation und Glaubwürdigkeit der öffentlich-rechtlichen Anstalten. An ihnen entscheidet sich die Zukunft von ARD und ZDF.
Crosspost von Carta