Wie bekommen wir das Fernsehen ins Internet? Langweilige Frage – es ist schon längst da. Die neueste Bitkom-Umfrage anlässlich des Welttages des Fernsehens bestätigt nun, was viele von uns aus ihrem Alltag kennen: Streaming ersetzt mehr und mehr das klassische Fernsehen. Bereits 18% der Befragten geben in der Umfrage an, sich vorstellen zu können, in Zukunft ganz auf Fernsehen über Kabel und Satellit zu verzichten und nur noch Videostreaming zu nutzen. Für ein Drittel der Befragten ist dies sogar jetzt schon Alltag. Interessanterweise werden die Teilnehmer in der gleichen Studie auch nach ihrer Zufriedenheit mit Übertragungsqualität sowie Videostreaming gefragt, wobei 59% angeben, zufrieden zu sein. Das ist kein zufriedenstellender Wert. Und wird sich die Prognose von Stefan Koetz bestätigen, wird sich das Paketaufkommen bis 2020 verachtfachen und damit sicher noch mehr für Unmut bei den Nutzern sorgen. „Die Infrastruktur muss Schritt halten“, verkündete Koetz daher auf dem Bitkom-Trendkongress in Berlin Anfang dieser Woche.
Doch der Ausbau der Netz-Infrastruktur wird schon lange gefordert. Passiert ist bisher leider nur wenig Substantielles. Zu spüren bekommen das nicht nur Bewohner oder Unternehmen in ländlichen Gegenden. Wer in Berlin einmal in den alltäglichen Menschenmassen unterwegs ist, merkt schnell die Grenzen der mobilen Internetanbindung. Oder wer sich dafür interessiert, kann in Großstädten an Wochenenden zu Hause beobachten, dass das viel gepriesene nicht begrenzte Medium (im Gegensatz zu den Sendeplätzen von Fernsehen oder Radio) durchaus ein immer beengenderes Spektrum aufweist. Welche Datenmassen jetzt schon über deutsche Netze geroutet werden, kann eindrucksvoll in Statistiken wie denen des Internetknotens DE-CIX in Frankfurt (Deutscher Commercial Internet Exchange) nachvollzogen werden: Die durchschnittliche Durchsatzrate des letzten Jahres liegt dort bei knapp 2 TBit/s. Die 5-Jahres-Übersicht des DE-CIX bestätigt: Tendenz steigend. Zur besseren Orientierung: Eine 1 TB große Festplatte kann mit dieser Durchsatzrate in ca. 5 Sekunden übertragen werden. Über einen gewöhnlichen DSL-16000-Anschluss würde man zum Herunterladen ca. 6 Tage brauchen.
Nun hat die Bundesregierung die Digitale Agenda vorgestellt (im Blog hier kommentiert). Dort bekennt sich die Bundesregierung zur Notwendigkeit flächendeckend verfügbarer leistungsstarker Breitbandnetze und verspricht einen flächendeckenden Ausbau einer 50-MBit/s-Struktur bis 2018. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde bereits im März diesen Jahres sogar eine Netzallianz Digitales Deutschland ins Leben gerufen. Das im Oktober von der Allianz vorgestellte Kursbuch „konkretisiert die Ziele, Prinzipien und Maßnahmen und benennt die notwendigen Weichenstellungen für den weiteren NGA-Ausbau in Deutschland.“ Dies umfasst eine transparente(re) Informationspolitik, verbesserte rechtliche Rahmenbedingungen für Ausschreibungen und die Durchführung des Ausbaus, eine dezidierte Frequenzpolitik sowie Finanzierung- und Förderungsmaßnahmen.
Ein Fokus der regulatorischen Maßnahmen liegt dabei darauf, einen Rahmen für Geschäftsmodelle zu schaffen, die explizit auf Paketdiskriminierung basieren (im Kursbuch Qualitätsdifferenzierung oder Quality of Service (QoS) genannt). Auch wenn in dem Papier oder im Koalitionsvertrag von 2013 immer wieder betont wird, dass dabei das Best-Effort-Prinzip nicht in Frage gestellt wird, bleibt die Bundesregierung uns die Antwort schuldig, wie das technisch zusammenpassen soll.
Beim Ausbau der Netze, einem Medium, das der Öffentlichkeit zur Verfügung steht, kann es gerade nicht darum gehen, mit Hilfe von Traffic Shaping Dienste zu diskriminieren und sogar Geschäftsmodelle zu etablieren (was im Übrigen leider sowieso längst Realität ist).
Auch wenn QoS aus informatischer Sicht ein Optimierungsproblem darstellt, das gelöst werden will oder aus ökonomischer Sicht sinnvoll erscheint – auf der anderen Seite der Bilanz stehen die Überwachung der Netze mit Technologien wie Deep Packet Inspection und nicht vorhersehbare Folgen für das sowieso im Moment sehr zerfledderte Image des freien Internets.
Es kann auch nicht darum gehen, dass Bewohner auf dem Land mehr für DSL zahlen müssen wie unlängst an dieser Stelle berichtet. Vielmehr liegt die Herausforderung gerade darin, so teure Unterfangen wie den Netzausbau gerecht voranzutreiben – tatsächlich flächendeckend und ohne eine Finanzierung auf Kosten des Best-Effort-Prinzips oder einzelner Einwohnergruppen und Unternehmen. Die Frage müsste letztendlich daher lauten: Wie bekommen wir die Solidargemeinschaft in das Internet?
Die Netzallianz sieht jedoch die Lösung in der privaten Finanzierung, unterstützt durch öffentliche Gelder. Was dies am Ende für die Netzregulierung bedeutet, werden wir früh genug erfahren.
Pingback: Gelesenes – 1. Dezember 2014 | netzphilosophieren