Die kurze Antwort: ,Es ist nicht möglich, Videos auf Youtube in Wikipedia-Artikel einzubetten. Dazu müssen sie auf Wikimedia Commons liegen, dem Repositorium der Wikipedia für Bild-, Audio- und Videodateien. Lade bitte Dein Video dort hoch.‘
Die Entscheidung der Wikipedia-Community gegen eine Einbettung aus anderen Plattformen hat sicherheitstechnische Gründe. Vor allem aber soll der möglichst dauerhafte freie Zugang zu dem Wissen in der Enzyklopädie gesichert werden. Jedes eingebettete Video, das auf Youtube verschwindet, würde ein „404 – Seite nicht gefunden“ im Wikipedia-Artikel verursachen. Und schließlich hat es Lizenzgründe, dass Videos aus Youtube nicht in die Wikipedia eingebettet werden können. Um die soll es hier gehen. Was besagt die „Standard YouTube Lizenz“? Und wie verhält es sich mit der im Juni 2011 eingeführten Option, das eigene Video unter eine Creative Commons Lizenz zu stellen? Zumindest alle Youtube-Videos unter Creative Commons sollten doch ohne Weiteres in Wikimedia Commons übertragbar sein. Oder etwa nicht?
Um es vorweg zu sagen, die Wikipedia-Community hat nichts gegen Youtube. Natürlich kommt es als relevantes Phänomen der Digitalen Gesellschaft in der Wikipedia vor. Es gibt eine eigene Kategorie:YouTube und ein WikiProjekt YouTube, das Relevanz- und Qualitätskriterien für Artikel über YouTube-Kanäle erarbeitet. Nicht zuletzt betreiben die Wikimedia Foundation, Wikimedia Deutschland und andere Chapter selber Youtube-Kanäle.
Die Standard YouTube Lizenz
Aber im Wikipedia-Universum nimmt es die Community mit der Freiheit sehr genau und ebenso mit Regeln, die Freiheiten einschränken. Deshalb wollten wir wissen, was genau die „Standard YouTube Lizenz“ besagt. Das ist gar nicht so einfach herauszubekommen. Steht ein Video auf Youtube unter der „Creative Commons Attribution license“, führt ein Link zu Erläuterungen. Nicht so bei der Standard YouTube Lizenz. Eine Google-Suche danach ergibt als ersten Treffer „Nutzungsbedingungen – YouTube“. Darin findet sich aber seltsamerweise der Ausdruck „Standard YouTube Lizenz“ gar nicht. Aufschluss gibt ausgerechnet ein Google-Hilfe-Dokument zur besagten Creative Commons Lizenz. Dort heißt es:
Die Standard-YouTube-Lizenz bleibt die Standardeinstellung für alle Uploads. Die Bedingungen der standardmäßigen YouTube-Lizenz findest du in unseren Nutzungsbedingungen.
Also wieder zurück in die Nutzungsbedingungen. Die erscheinen, wie man es erwarten würde, auf deutsch. Allerdings heißt es da:
3.1 Soweit YouTube Ihnen eine Übersetzung der Englischen Sprachfassung der Bestimmungen zur Verfügung stellt, erfolgt dies lediglich für Ihren Komfort. Maßgeblich für Ihr Verhältnis zu YouTube soll stets die Englische Sprachfassung sein.
Es bereitet mir alles andere als Komfort, dass für mich als deutscher Nutzer eines auf dem deutschen Markt angebotenen Dienstes ein englischer Vertragstext rechtsverbindlich sein soll. Denn darum handelt es sich, wie wir gleich sehen werden: einen Vertrag. Im Gegenteil, vermute ich laienhaft, dass dadurch nach deutschem Recht der gesamte Vertrag unwirksam wird. Das AGB-Recht im BGB schreibt vor, dass Bestimmungen „klar und verständlich“ sein müssen (§ 307). Das kann nur heißen: verständlich für Nutzer, die kein Englisch können.
Selbst die „Englische Sprachfassung“ ist kaum zu finden, da man immer wieder auf die deutsche Fassung umgeleitet wird. Erst die Änderung der Country-Einstellung am Fuß der Seite führt auf „Terms of Service“ für die USA, die auch für „Country: Worldwide“ angezeigt werden, und für United Kingdom, das in der deutschen Übersetzung als Gerichtsstand angegeben wird. Daher gehen wir vorerst vom deutschen Text aus. Der beginnt damit, dass ich durch die Nutzung von Youtube einen Vertrag mit einer Firma in San Bruno, Kalifornien, eingehe:
1.1 Ihre Nutzung von YouTubes Webseite (die „Webseite“) und jeglicher Produkte, Software und Dienste, einschließlich des einbettungsfähigen YouTube Video Players … unterliegt den Bestimmungen einer rechtlichen Vereinbarung zwischen Ihnen und YouTube. „YouTube“ bezeichnet YouTube LLC mit Hauptgeschäftssitz in 901 Cherry Avenue, San Bruno, CA 94066, USA.
1.2 Ihre rechtliche Vereinbarung mit YouTube besteht aus (A) den in diesem Dokument enthaltenen Bestimmungen und Bedingungen, (B) YouTubes Datenschutzrichtlinie und (C) YouTubes Community-Richtlinien (zusammen als die „Bestimmungen“ bezeichnet).
2.1 Um die Services zu nutzen, müssen Sie zuerst den Bestimmungen zustimmen. Sie dürfen die Dienste nicht nutzen, sofern Sie die Bestimmungen nicht annehmen.
Bei den Datenschutz- und Community-Richtlinien hält Google eine deutsche Übersetzung auch nur für unseren ,Komfort‘ für überflüssig. In diese rechtlich bindenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), – die ich nicht lesen kann, wenn ich des Englischen nicht mächtig bin –, willige ich automatisch ein, indem ich den Dienst Youtube nutze.
Der eigentliche Nutzungsvertrag umfasst 107 Absätze und 25.500 Zeichen und enthält, wie in AGB üblich, Bestimmungen zu Nutzerkonten, Gewährleistung, Haftungsbeschränkung, Gerichtsstand (England), Kündigung des Vertrags (durch schriftliche Mitteilung an YouTube und Schließung des Nutzerkontos) usw. Durchsucht man ihn nach „Lizenz“, ergeben sich drei Richtungen, in die hier Lizenzen erteilt werden.
1. Man muss selbst alle Lizenzen, Rechte, Zustimmungen und Erlaubnisse haben, für das, was man auf Youtube hochlädt, die Videos und Texte, die hier „Nutzerübermittlung“ (englisch: „Content“) genannt werden. Wenn ich die Rechte an der Musik in meinem Video nicht besitze oder ich Leute gegen ihren Wille gefilmt habe, kann ich nicht Google oder anderen Rechte daran übertragen. Ist klar.
2. Eine Lizenz an Youtube:
10.1 Indem Sie Nutzerübermittlungen bei YouTube hochladen oder posten, räumen Sie
A. YouTube eine weltweite, nicht-exklusive und gebührenfreie Lizenz ein (mit dem Recht der Unterlizenzierung) bezüglich der Nutzung, der Reproduktion, dem Vertrieb, der Herstellung derivativer Werke, der Ausstellung und der Aufführung der Nutzerübermittlung im Zusammenhang mit dem Zur-Verfügung-Stellen der Dienste und anderweitig im Zusammenhang mit dem Zur-Verfügung-Stellen der Webseite und YouTubes Geschäften, einschließlich, aber ohne Beschränkung auf Werbung für und den Weitervertrieb der ganzen oder von Teilen der Webseite (und auf ihr basierender derivativer Werke) in gleich welchem Medienformat und gleich über welche Verbreitungswege;
Ich gebe Google also das nicht-exklusive und kostenlose Recht, mein Video zu streamen, zu vervielfältigen, zu verändern und zu vertreiben, gleich ob im Netz, auf DVD oder auf einem zukünftigen Holodeck. Und all diese Rechte kann Google an andere unterlizenzieren. Das ist eine durchaus übliche Form der Rechtübertragung an eine Social Media-Plattform.
Für unsere Frage entscheidend ist 3. eine Lizenz an die Nutzer von Youtube:
10.1 Indem Sie Nutzerübermittlungen bei YouTube hochladen oder posten, räumen Sie
B. jedem Nutzer der Webseite eine weltweite, nicht-exklusive und gebührenfreie Lizenz ein bezüglich des Zugangs zu Ihren Nutzerübermittlungen über die Webseite sowie bezüglich der Nutzung, der Reproduktion, dem Vertrieb, der Herstellung derivativer Werke, der Ausstellung und der Aufführung solcher Nutzerübermittlung in dem durch die Funktionalität der Webseite und nach diesen Bestimmungen erlaubten Umfang.
Man darf vermuten, dass es sich bei diesem Absatz um die mysteriöse „Standard YouTube Lizenz“ handelt. Also nicht: Die Uploaderin überträgt Rechte an Youtube, das diese an alle Nutzer unterlizenziert. Sondern, sie überträgt diese Rechte direkt an die anderen Nutzer. Soweit so gut. Der Haken dabei: nur für den Zugang über Youtube und nur im Umfang der Funktionalität, die die Site anbietet. Wir können ihr Video ansehen, in eine Playlist einbauen und es in unserem Blog einbetten.
Da ein Download jedoch nicht zur Funktionalität von Youtube gehört – anders als bei Vimeo, Archive.org oder Wikimedia Commons – ist er auch nicht erlaubt. Nach diesem Vertrag sind Download-Helferlein, die möglich machen, was Youtube nicht selbst anbietet, unzulässig. In Foren taucht die Vermutung auf, dass nach deutschem Urheberrecht eine Privatkopie von Dingen, die man im Netz findet, erlaubt sei, nach den Youtube Nutzungsbedingungen jedoch nicht, weshalb sie Kontosperrung oder andere Sanktionen durch Google nach sich ziehen könne.
Auf jeden Fall drängt sich der starke Verdacht auf, dass hier unmöglich gemacht wird, was die Lizenz doch behauptet: dass man diese Videos vervielfältigen, remixen und weiter vertreiben darf.
Creative Commons auf Youtube
Remixing gehört mit dem Video-Editor inzwischen auch zur Funktionalität von Youtube, setzt aber voraus, dass man sein Video nicht unter die Standard YouTube Lizenz, sondern unter die einzige hier angebotene von den sechs Creative Commons Lizenzen stellt: die Creative Commons Namensnennungslizenz oder kurz: CC BY. Hier ein Erklärvideo dazu von Y2Bus kurz nach ihrer Einführung im Juni 2011. Auf der Google-Hilfe-Seite zu Creative Commons heißt es:
Mit Creative Commons-Lizenzen können Videokünstler anderen Personen die Nutzung ihrer Werke gestatten. Auf YouTube können Nutzer ihre Videos mit einer Creative-Commons-Lizenz vom Typ CC-BY versehen. Diese Videos können dann über den Video-Editor von YouTube auch von anderen Nutzern zu kommerziellen Zwecken verwendet werden.
Die Möglichkeit, hochgeladene Videos mit einer Creative Commons-Lizenz zu versehen, ist ausschließlich Nutzern vorbehalten, deren Konten sich in einwandfreiem Zustand befinden. Den Zustand deines Kontos kannst du auf der Seite Funktionen in deinen Kanaleinstellungen überprüfen.
Durch die Markierung deines Originalvideos mit einer Creative Commons-Lizenz gewährst du der gesamten YouTube-Community das Recht, dein Video wiederzuverwenden und zu bearbeiten.
Wir lernen: Das Recht, die eigenen Videos frei zu lizenzieren, ist ein Privileg, das Google nur gewährt, wenn man noch nicht unliebsam aufgefallen ist.
Und wir wundern uns: Sollte Google tatsächlich die Freiheiten, die die CC-BY an jedermann gewährt, auf die YouTube-Community beschränken? Man darf vermuten, dass es sich dabei um angemeldete Nutzer handelt. Freiheit also nur gegen Daten? Vervielfältigen, weiterverbreiten, remixen, mit den Remixen Geld verdienen – alles erlaubt, aber nur solange es innerhalb des geschlossenen Systems von Youtube geschieht?
Wohlwollend könnte man unterstellen, Google habe einfach vergessen zu erwähnen, dass Videos unter CC-BY von der Youtube-Community und der übrigen Weltbevölkerung wiederverwendet und über den Video-Editor von Youtube und jeden anderen Video-Editor bearbeitet werden dürfen.
Aber es bleibt die AGB-Bestimmung, dass ich die Videos nur „in dem durch die Funktionalität der Webseite erlaubten Umfang“ nutzen darf. Eine Download-Möglichkeit gibt es aber für CC-BY Videos genauso wenig wie für solche unter Standard YouTube Lizenz.
Ja, was denn nun?
Die Uploaderin, die ihr Video unter CC-BY stellt, sagt damit unmissverständlich, sie möchte es mit aller Welt teilen. Die CC-Lizenz besagt unmissverständlich: „Sie dürfen keine zusätzlichen Klauseln oder technische Verfahren einsetzen, die anderen rechtlich irgendetwas untersagen, was die Lizenz erlaubt.“ Wird vielleicht der Einsatz der von Google nicht gern gesehenen Download-Helfer bei CC-lizenzierten Videos zulässig? Können alle diese Videos herunter- und auf Wikimedia Commons wieder hochgeladen werden?
Die Lage ist, vorsichtig gesagt, unübersichtlich. Die Wikimedia Commons Community geht davon aus, dass man Youtube Files, die über die offizielle Lizenzauswahl, im Beschreibungstext (wie unser Eingangsbeispiel von der Landesmedienanstalt NRW) oder im Video selbst mit einer CC-BY Lizenz ausgezeichnet sind, auf Commons transferieren kann. Dass man damit sehr wahrscheinlich gegen die Youtube-AGB verstößt, wird nicht erwähnt. Was gilt nun: die Creative Commons Lizenz oder die „Nutzungsbedingungen – YouTube“?
Diese Frage stellte ich am vergangenen Sontag auf der Wikimania in London an Ryan Merkley, den neuen CEO von Creative Commons. Ryan ist, genauso wie die neue Chefin der Wikimedia Foundation Lila Tretikov, erst wenige Wochen im Amt und blieb die Antwort schuldig. Er sagte aber, dass die Klärung mit den Plattformen, die CC-Lizenzen anbieten, aber durch AGB oder gar DRM einschränken, hohe Priorität für ihn hat. In seinem Vortrag sprach er über Flickr, das als erste große Plattform CC-Lizenzen anbot, durch einen Systemumbau aber aller Namensnennungen zum Verschwinden brachte. Am selben Tag ging die Fotopedia vom Netz. Diese Community hat seit 2009 mit kuratierten Alben und Artikel eine Online-Enzyklopädie für Fotos geschaffen und dafür mehr als eine Million freilizenzierte Fotos, unter anderem von Wikimedia Commons, in thematische Zusammenhänge gestellt. Vor dem Aus haben die Betreiber allen Nutzern die Möglichkeit gegeben, ihre Werke herunterzuladen, und sie haben Creative Commons dabei unterstützt alle CC-Inhalte zu kopieren und weiter zugänglich zu machen. Das Internet Archive hat gleich die ganze Site kopiert. Würde sich Google genauso verantwortungsvoll verhalten, sollte es eines Tages Youtube abschalten?
Noch während Ryan auf meine Frage antworte, setzte Mathias Schindler, hauptamtlicher Wissensbefreier bei Wikimedia Deutschland, einen Tweet ab. Darin verweist auf einen Bug-Report zu genau dieser Frage, den er schon vor zwei Jahren bei Google eingereicht hat. Ein Bug-Report – wie geil ist das denn! Statt sich mit der PR-Abteilung oder gar den Anwälten von Google rumzuschlagen, sagt er den Technikern: ‘Euer System ist kaputt. Repariert es!’
Doch leider gibt es bis heute keine Antwort auf diesen Bug-Report.
Wir geben uns damit nicht zufrieden. Wir werden dem Rätsel weiter nachgehen und Creative Commons Deutschland um eine Stellungnahme aus Sicht der deutschen Rechtslage bitten. Wir werden den Verbraucherschutzverband um Rat bitten, wie es sich mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen verhält, für deren Lektüre man Englisch gelernt haben und zudem ein halbes Jurastudium abgeschlossen haben muss, um verstehen zu können, welcher der beiden englischen Texte rechtlich bindend ist – die mithin so gar nicht „klar und verständlich“ sind. Auch die Bundesregierung schreibt in der für den 20. August angekündigten Digitalen Agenda (hier der Entwurf vom 28. Juli) den Verbraucherschutz ganz groß. Wie geht diese unfreiwillige Einzäunung der eigenen Videos zusammen mit informationeller Selbstbestimmung und Datenautonomie der Verbraucherinnen und Verbraucher? Und natürlich werden wir Google selbst danach fragen. Über die Antworten werden wir hier berichten.
Bis dahin können wir eines mit Gewissheit sagen: Wer ein Video für den VWA-Wettbewerb einreichen möchte, lade es bitte auf Wikimedia Commons hoch. Solange Plattformen die Verfügungshoheit über die Inhalte ihrer Nutzer beanspruchen, ist nur so gewährleistet, dass sie für die weitere freie Verwendung zur Verfügung stehen und den Wissensschatz der Wikipedia bereichern können.
(Crosspost vom VWA-Blog)