Category Archives: Forschung

EINE STIMME: Ergebnisse der Begleitforschung oder Wie man junge Menschen für politische Themen interessiert

Im Juni war das Projekt EINE STIMME angetreten, junge (Nicht-)Wähler vor der Bundestagswahl 2013 am politischen Diskurs zu beteiligen. Mit einer eigenwilligen Verbindung von Popkultur mit Politik in Interviews mit prominenten Gästen sollten gezielt junge Menschen angesprochen werden – in ihrer Sprache, über ihre Medien und ganz im Sinne medialer Grundversorgung 2.0. Daraus entstand eine Reihe von Videos und Posts auf YouTube, Facebook, Twitter & Co zu politischen Themen, die den Gästen am Herzen liegen. Wenn sich Lady „Bitch“ Ray und Niels Ruf zu Feminismus und Frauenquote äußern oder Serdar Somuncu sozialkritischen Rap einfordert, entsteht zumindest eine Mischung, die in der politischen Diskussion so Ihresgleichen sucht. Ob das auch einer jungen Zielgruppe gefällt, sollte die Begleitforschung genauer unter die Lupe nehmen.

Die Zahlen zu Reichweiten, Likes und Shares zeigen, dass sich das Publikum durchaus angesprochen fühlt. Im Zeitraum von Juni bis Ende September erzielten die bis dato 26 Videos insgesamt rund 150.000 Aufrufe auf dem YouTube-Kanal. Spitzenreiter im Videoranking erreichten knapp 30.000 Aufrufe auf YouTube bzw. 4000 Personen auf facebook. Continue reading

Der nackte Mensch und seine Geschichte
Über den Katalog der unpfändbaren Dinge

Pfändungsmarke des Gerichtsvollziehers. Schwiebus i.Nm. ca 1920

Pfändungsmarke des Gerichtsvollziehers. Schwiebus i.Nm. ca. 1920. Abb. von m.joedicke unter CC-NC-SA.

In einem Raum des Verwaltungsgerichts Gießen findet im Juli 2011 eine von der Öffentlichkeit unbemerkte, aber dennoch folgenreiche juristische Entscheidung statt. Zum ersten Mal in Deutschland wird der Computer eines Schuldners grundsätzlich für unpfändbar erklärt. Ein arbeitsloser Mann, dessen Notebook bei einer Zwangsvollstreckung beschlagnahmt wurde, klagt auf Herausgabe des Geräts, weil er es zur Bewerbung bei verschiedenen Arbeitgebern benötige. Der Richter gibt ihm recht und beruft sich auf ein Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach „informationstechnische Systeme allgegenwärtig und für die Lebensführung vieler Bürger von zentraler Bedeutung seien“. Noch im Jahr 2007, im „Münchner Kommentar“ zur Zivilprozessordnung, galt der Computer als „grundsätzlich pfändbar“, zählte also zu den luxuriösen Gegenständen, die ein Gerichtsvollzieher konfiszieren kann. Vier Jahre später hat sich diese Bewertung ins Gegenteil verkehrt: Computer und Laptops zählen nun, wie das Radio, der Fernseher oder auch der Kühlschrank und die Waschmaschine, zu den unerlässlichen Bestandteilen des Haushalts.

Worin besteht eine menschenwürdige Existenz? Und bis zu welcher Schicht kann der gepolsterte Überfluss des täglichen Lebens abgetragen werden, bis nichts als ein Gerüst der Notwendigkeiten übrig bleibt? Continue reading

Konferenz:
Infrastrukturen, Plattformen, Ökosysteme Grundversorgung in einer konvergenten Medienwelt

Colors

Inhalteplattformen auf digitalen Übertragungswegen wie T-Entertain, Zattoo und Google TV sind ein Schlüsselthema in der aktuellen Debatte um Medienregulierung. Darüber sprechen Experten aus Wissenschaft und Forschung, öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk, Politik und Regulierung, Zivilgesellschaft und Industrie am 6.12.2013 in Lüneburg. Wie wandelt sich der öffentlich-rechtliche Funktionsauftrag in einer medienkonvergenten Welt? Welche Herausforderungen stellen sich dabei und mit welchen Instrumenten lässt sich ihnen begegnen? Welche Lösungen sind bereits vorgeschlagen, wo werden neue benötigt?

Orkan “Xaver” macht es leider unmöglich, die Konferenz wie geplant stattfinden zu lassen. Wir bitten alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer um Verständnis. Ein Ersatztermin im Februar wird bekanntgegeben.

Konferenz: Infrastrukturen, Plattformen, Ökosysteme
am 06.12.2013 von 9:00-16:00 Uhr
im Hotel Bergström, Lüneburg
ausgerichtet vom Forschungsprojekt Grundversorgung 2.0
Zentrum Digitale Kulturen (CDC), Leuphana Universität Lüneburg

Die Teilnahme ist kostenfrei, um Anmeldung wird gebeten.
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Grundversorgung auf allen digitalen Kanälen

Qualität darf nicht zum Instrument der Verhinderung werden

Immer wieder emphatisch beschworen, kaum je griffig definiert, nicht algorithmisierbar ist ‘Qualität’ ein schillernder Schlüsselbegriff der Mediendebatte. So schreibt die Bundesregierung in ihrem jüngsten Medien- und Kommunikationsbericht: “Ein qualitativ hochwertiges, seriöses Medienangebot ist ein Lebenselixier der Demokratie. Nur wenn gesellschaftliche und politische Debatten fundiert geführt werden, können die Bürgerinnen und Bürger von ihren demokratischen Partizipationsmöglichkeiten in vollem Umfang Gebrauch machen.”

Qualitätsmedien als Lebenselixier der Demokratie – höher lässt sich die Messlatte kaum hängen. Im Rundfunk ist das die Aufgabe, die das Bundesverfassungsgericht ARD und ZDF zugewiesen hat. Es hat keinen Zweifel daran gelassen, dass weder Markt noch Staat geeignet sind, eine umfassende Grundversorgung zu gewährleisten. Folglich ist seine Finanzierungsgarantie Teil der Rundfunkfreiheit des Artikel 5 des Grundgesetzes. Continue reading

Die Verfassung, der Rundfunk und das Netz.
Vierzehn lemmatische Skizzen

I.
An der Schwelle zur Einführung des Internets resümiert der Soziologe Niklas Luhmann: »Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien« (Luhmann 1996: 9). Als Konstruktivist war ihm sehr wohl klar, dass Presse, Radio und Fernsehen kein ungebrochenes Weltwissen vermitteln. Oder anders, mit Harry Pross gesagt: »Die meisten Nachrichten sind falsch« (Pross 1971). Moderne Massenmedien stehen immer unter Manipulationsverdacht, sodass jede Meldung falsch oder richtig sein könnte. Aber das, so Luhmann, führt »nicht zu nennenswerten Konsequenzen, da das den Massenmedien entnommene Wissen sich wie von selbst zu einem selbstverstärkenden Gefüge zusammenschließt«. Philosophisch gesprochen: »Die Massenmedien erzeugen eine transzendentale Illusion« (Luhmann 1996: 13). Politisch gesprochen, sind sie genau deshalb der Garant für das oszillatorische Hin und Her einer freien Meinungsbildung in der modernen Gesellschaft. Vielleicht formuliert Luhmann Mitte der 1990er-Jahre so stark, weil er ahnt, dass massive mediale Umwälzungen bevorstehen. Continue reading